Désarmement
21 avril 2009
Discours de Frank-Walter Steinmeier, Ministre des Affaires Etrangères et Candidat du SPD à la Chancellerie
Lieber Luis Ayala,
lieber Rolf Mützenich,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
es ist noch gar nicht lange her, da galten Abrüstung und Rüstungskontrolle als ein Orchideenthema, als ein Relikt aus einer vergangenen Zeit. Ein Thema, das nicht die Reihen im Deutschen Bundestag und erst recht nicht die Titelseiten der Tageszeitungen füllte.
Sie wissen: Damit habe ich mich nie abgefunden. Und ich danke all denen, die sich wie ich nicht haben beirren lassen. Heute stehen Abrüstung und Rüstungskontrolle wieder ganz vorn auf der Tagesordnung. Zu Recht: Denn es sind keine Themen von gestern, sondern Überlebensfragen von morgen!
Die Zeit ist reif! Die Blockkonfrontation und das Gleichgewicht des Schreckens sind beendet. Die USA, Europa, Russland und die neuen Mächte in Asien, Afrika und Amerika sind dabei, ihr Verhältnis neu zu ordnen. Wir sollten sie dabei unterstützen.
Denn: Wir haben auch erlebt, wie die Fortschritte von drei Jahrzehnten Abrüstungspolitik – angefangen mit dem 1970 in Kraft getretenen Atomwaffensperrvertrag – infrage gestellt wurden.
Der Zugang zu nuklearer Technologie ist zu einem wichtigen Feld der Auseinandersetzung geworden. Die Zahl der Atomstaaten ist seit dem Ende des Kalten Krieges gestiegen und damit auch die Gefahr von atomarer Proliferation und Nuklearterrorismus.
Wir haben auch erlebt, wie die USA und Russland, die 95 Prozent aller nuklearen Sprengköpfe besitzen, von vertraglichen Verpflichtungen abrückten und die Gefahr eines neuen Wettrüstens anheizten.
Es ist Zeit, dass wir uns von den überkommenen Denkmustern des Kalten Krieges endgültig verabschieden. Dazu brauchen wir vor allem eines, was in der internationalen Politik in den vergangenen Jahren verlorenen gegangen ist: Vertrauen. Ohne Vertrauen wird es international keine Abrüstung geben.
Die Zeichen für einen Aufbruch stehen günstig. Nicht nur, dass neun von zehn Europäern die Friedenssicherung für eine überragende politische Aufgabe halten. Auch die so genannten „Falken“ der internationalen Politik sind nachdenklich geworden.
Das System der nuklearen Abschreckung ist nicht nur überholt – es wird zunehmend zum Risiko für den Weltfrieden.
Bereits 2007 haben die ehemaligen US-Außen- und Sicherheitspolitiker Henry Kissinger, George Shultz, William Perry und Sam Nunn ihren Appell für eine Welt ohne atomare Bedrohung veröffentlicht. Im selben Jahr hat die deutsche Sozialdemokratie in ihrem neuen Grundsatzprogramm die Vision einer atomwaffenfreien Welt bekräftigt. Und vor kurzem haben vier deutsche „elder statesmen“ den Appell der 4 Amerikaner aufgegriffen.
Zuletzt hat die Prager Rede von Präsident Obama das Tor aufgestoßen. Die gemeinsamen Vorschläge des US-Präsidenten und des russischen Präsidenten Medwedew, nuklear massiv abzurüsten, sind hoffnungsvolle Signale zum Neustart für globale Abrüstung.
Meine Damen und Herren,
es gilt jetzt, diese Konzepte und Ideen in praktische Politik umzusetzen.
Die Zeit drängt: Schon Ende dieses Jahres läuft der START-Vertrag aus, der Abbau und Kontrolle weitreichender strategischer Atomwaffen regelt. Das Commitment von Obama und Medwedew kommt gerade noch rechtzeitig.
Und wir müssen die multilaterale Rüstungskontrolle aus ihrer Lähmung befreien. Denn schon im kommenden Jahr steht die Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrages an. Der letzte Versuch, den Vertrag zu beleben, ist 2005 gescheitert. Im nächsten Anlauf 2010 müssen wir Erfolg haben.
Der Atomwaffensperrvertrag ist der Prüfstein, ob wir den akuten Gefahren der Weiterverbreitung nuklearer Waffen entschlossen begegnen können.
Erfolg oder Scheitern hängen davon ab, ob es uns gelingt, das Herzstück des Vertrages zu erneuern: Atomare Abrüstung der Nuklearmächte und Verzicht auf atomare Bewaffnung bei den anderen Partnern gehören unauflöslich zusammen.
Das ist die wechselseitige Verpflichtung, die Augenhöhe zwischen allen Vertragsstaaten herstellt. Sie ist der Ausweg aus dem Teufelskreis, der prestigebewusste Regionalmächte nach der Bombe greifen lässt und der etablierte Atommächte neue Waffensysteme ersinnen lässt, um sich zu schützen.
Dieser Weg wird nicht einfach sein: Der Vorstoß von Obama und Medwedew hat bislang keine angemessene Antwort von Seiten des Iran oder Nordkoreas erhalten.
Wir sollten uns aber nicht beirren lassen: je stärker das Engagement der Staatengemeinschaft für eine neue Ära der Abrüstung, desto stärker auch die Isolation derer, die sich verweigern.
Auch in Einzelfragen gibt es noch viel zu regeln:
Die Kontrollmöglichkeiten der Internationalen Atomenergiebehörde sind unbefriedigend. Wir brauchen das Instrument von Verdachtsinspektionen auch nicht-deklarierter Anlagen.
Und wir brauchen kreative Ideen, damit das Recht auf zivile Nutzung der Kernenergie nicht mehr als Deckmantel für atomare Bewaffnung herhalten kann.
Ein doppelter Ansatz ist wichtig: Erstens ein verifizierbares multilaterales Verbot der Produktion von waffenfähigem Spaltmaterial. Zweitens eine internationale Anreicherungsanlage unter Kontrolle der Atomenergiebehörde, um allen einen diskriminierungsfreien Zugang zur zivilen Nutzung zu ermöglichen.
Liebe Freunde,
in einer Phase neuer Möglichkeiten und neuer Handlungsspielräume müssen Denkverbote aus den Köpfen.
Ein nachhaltiger Schutz vor nuklearer Proliferation und Nuklearterrorismus kann langfristig nur in der völligen Abschaffung aller Atomwaffen bestehen. Das bedeutet „Global Zero“.
Die Absicht der USA und Russland zu einer weiteren Reduzierung ihrer strategischen Nukleararsenale ist ein erster, wichtiger Schritt. Weitere müssen folgen. Anfang der Neunziger Jahre gab es zwischen den USA und Russland schon einmal politisches Einvernehmen über eine weitgehende Reduzierung auch ihrer taktischen Nuklearwaffen. Hier müssen wir wieder anknüpfen.
Hier in Berlin, der Frontstadt des Kalten Krieges, die zerrissen war in Ost und West, spüren wir den Gewinn erfolgreicher Entspannungspolitik wie an kaum einem anderen Ort Europas. Europa hat gelernt, dass die Sicherheit des einen nicht durch die Unsicherheit der anderen erreicht werden kann – weder im Inneren unserer Gesellschaften noch in der Außenpolitik.
Sicherheit gibt es auf Dauer nur gemeinsam, nicht in der Konfrontation. Ich glaube, dies ist ein guter, solider Kompass für die Arbeit der Sozialistischen Internationale, die gegründet wurde aus dem Gedanken der internationalen Solidarität.
Sie zerbrach 1914 an den nationalen Gegensätzen, die den Ersten Weltkrieg heraufbeschworen hatten. Sie wurde neu aus der Taufe gehoben, als 1951 der gemeinsame Wille der demokratischen Linken zum Aufbau einer Friedensordnung erneuert war.
Von der ersten Stunde an hat sie sich gegen den Aufrüstungswettlauf gestemmt. Abrüstung und Sicherheit, auch soziale Sicherheit; Abrüstung und Frieden, auch innerer Frieden in den Gesellschaften – das waren die Kernforderungen.
Wenn wir also heute das Abrüstungskomitee der Sozialistischen Internationale gründen, greifen wir gute Traditionen neu auf. Wir tun es in der Gewissheit, dass sie so aktuell sind wie kaum jemals zuvor.
Herzlichen Dank!
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